„Never change a running system“: diese altbekannte Devise kennt jeder IT-Spezialist. Sie ist ein guter oder zumindest gut gemeinter Ratschlag. Wenn es um geschäftskritische Anwendungen, stehen häufig strategische und operative Entscheidungen im Vordergrund. Kann es sich ein Unternehmen leisten, auf „veraltete“ IT-Anwendungen zu bauen? Was bedeutet diese Strategie für die Verfügbarkeit der Hard- und Software? Als externer Berater hat NSI-Experte Rüdiger Teves das Unternehmen maßgeblich bei der Planung und Umsetzung der Migration unterstützt. Die Chancen und Risiken einer Migration beleuchtet dieser Beitrag.
Die Aufgabe ist eigentlich schnell beschrieben: Ein führender Schienenlogistik-Dienstleister steht vor der Frage, ob ein umfassendes Soft- und Hardware-Update (ERP-Anwendung, Datenbank, Server,…) tatsächlich notwendig ist. Wenn ja, wie kann die Migration erfolgreich durchgeführt werden?
Der Auslöser:
Motivation für die Migration war eine nicht mehr aktuelle Server-Hardware (verbunden mit Leistungseinbußen) und ein abgekündigtes Informix-Release. Auf der Wunschliste stand außerdem ein Plattformwechsel von 32-Bit-Architektur auf 64-Bit und die Modernisierung der kommerziellen Anwendung.
Zusatznutzen: Rechnet es sich?
Rechnet sich die Migration, kann ein ROI ermittelt werden? Wenn bei einer Migration auch noch Lizenzkosten eingespart werden können, erhöht dies natürlich die Motivation des Kunden.
Die Vorgehensweise:
Grundsätzlich ist eine System-Migration eine Hürde, die eine strukturierte Vorgehensweise verlangt. Komplex wird die Aufgabe spätestens dann, wenn eine Vielzahl von Komponenten gleichzeitig auszutauschen ist.
Die Aufgabe:
Schnell summiert sich die Aufgabe zu einen komplexen Szenario:
- Austausch des 32 Bit Linux-Systems durch einen 64 Bit Cluster-Server unter RHEL 6.0
- Austausch der Informix-Server-Version 10.00.UC9 durch 11.50.FC8
- Migration der Informix-CSDK-Version von 2.90.TC4 auf 3.50.TC8
- Migration der Java-SDK-Version 1.5 auf 1.6
- Migration der Version des FIX/J-Application-Frameworks von Version 2.1 auf 2.2
- Lediglich das iSCSI-Storage-System wird vorerst weiterverwendet.
Die Umsetzung – und ein unerwartetes Problem:
Eine gründliche Planung ist die Basis des Erfolgs. Für die einzelnen Schritte der Migration wurde eine detaillierte Aktivitätenliste erstellt.
Nach der Lieferung der neuen Hardware konnten die geplanten Schritte im Rahmen einer Testphase verifiziert werden. Wegen des engen Zeitfensters des Produktivgangs wurde eine Inplace-Migration des Datenbestands geplant. Hier wurde das einzige signifikante Problem identifiziert, Informix erlaubt nämlich keine Inplace-Migration von Collection-Datentypen bei Plattformwechsel. WARNING: Conversion process found COLLECTION types (SET/LIST/MULTISET) in the database that can cause corruptions when migrating from 32 bit server to 64 bit server. Hier ist Handlungsbedarf!
Doch trotz der anschließenden Neuanlage der Datentypen traten infolge des Problems Server-Abstürze auf, die erst durch einen Workaround innerhalb der Anwendung vermieden wurden. Durch die Abarbeitung eines umfangreichen Testplans wurde die Belastbarkeit der Konzeption und der eingesetzten Komponenten nachgewiesen.
Der Tag X ..
Dank der gewählten Inplace-Migration war die gesamte Umstellung im produktiven Umfeld am Freitagabend nach ca. 3 Stunden abgeschlossen.
Zeitaufwändig war lediglich der anschließende Neuaufbau der Statistiken der Informix-Datenbanken. Am Samstagmorgen konnten Tests die Eignung für den produktiven Einsatz nachweisen und eine Freigabe erteilt werden. Am Montagmorgen war durch die Anwender kaum etwas von der Umstellung zu bemerken.
Und das schönste: es rechnet sich!
Im Zuge der Beratung wurde dem Kunden empfohlen, einen Lizenzwechsel durchzuführen, was aufgrund von neuen Lizenzmodellen auch problemlos möglich ist. Somit spart das Unternehmen einen nicht unerheblichen Betrag – und zwar jährlich.
Zusammenfassung: “Better change a running system, before it gets too old and becomes risky.”
Die Verfügbarkeit, Sicherheit und operative Geschwindigkeit der gesamten ERP-Lösung ist wieder auf einem aktuellen Stand und für mehrere Jahre gesichert. Jedoch hat sich der IT-Verantwortliche bereits eine Wiedervorlage gelegt für die nächste Migration - allerdings erst in ein paar Jahren…